Donnerstag, 11. Januar 2018

Koh Rong Sanloem

Bereits am ersten Tag zeigte uns Koh Rong Sanloem die zwei typischen Gesichter einer Insel Kambodschas. Einerseits findet man herrliche Strände mit weiten und flachen Sandbänken, so dass man hunderte Meter weit raus laufen kann, bevor man nicht mehr stehen kann. Das Wasser ist klar und an einem ruhigen Tag kräuseln sich die Wellen seicht über dem sandigen Grund mit periodischer Dünenstruktur. Am Ufer findet man Treibholz, teilweise ganze Bäume mit Wurzel, die beim letzten Sturm angespült wurden. Die schönen verwitterten Holzstücke wären in Europa als Deko-Material sicher dutzende Euro wert. Zwischen den Felsen wachsen entweder Mangroven mit malerischen Luftwurzeln, oder knorrige Nadelbäume, die sich im Sand verwurzelt gegen den Druck vergangener Winde lehnen. Am Strand vergraben sich Krabben, sobald man sich nähert und kleine Vögel suchen nach Schnecken, während man im klaren Wasser kleine Fischschulen beobachten kann. Das alles ist vor der Kulisse strahlend blauen Wassers bis zum Horizont und darüber türmen sich weit entfernte, weiße Wolkenmassen. Kurz: Es ist ein poetisches Insel-Paradies.

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Andererseits wird auch jede Menge Plastikmüll angespült und überall liegt haufenweise Polyethylen und Polystyrol herum. Auch auf der Insel liegt unser Zivilisationsmüll in allen Winkeln der Landschaft. Das Dorf in dem wir untergebracht sind ist in akutem Wandel und mindestens genauso viele Häuser, wie schon existieren, werden gerade gebaut. M'Pai Bei, so der Name, kommt uns vor wie halb Baustelle, halb Müllkippe. An den Rändern des Dorfes verwesen Tierkadaver nahe der Kloaken, die erst bei der nächsten Sturmflut wieder sauber gewaschen werden. Tagsüber ist das Dorf erfüllt vom schreien der Flex und der anderen Geräusche von den Baustellen, die Platz für noch mehr Touristen machen sollen. Kurz: Es ist das visuell-akustisch-olfaktorische Grauen.





Auch die Kambodschaner lösen mit ihrem Verhalten ganz ambivalente Gedanken bei uns aus. Auf der einen Seite sind sie sehr nett und um das Wohl ihrer Gäste bedacht. Dabei begegnen dir alle Menschen mit Respekt und einem Lächeln und man hilft Wegsuchenden und planlosen Reisenden wohlmeinend weiter. Die meisten Menschen hier sind auf den ersten Blick freundlich und sympathisch. Auf der anderen Seite sind die Leute teilweise furchtbar ungebildet. Manche können offensichtlich keine einstelligen Zahlen ohne Hilfe ihrer Finger addieren, was das abschließen von Geschäften über Gebühr erschwert. Außerdem arbeiten überall auch Kinder, die meist besser Englisch sprechen als ihre Eltern und darum eingespannt werden anstatt weiter die Schule zu besuchen. Dieser Kreislauf aus wenig Bildung und Armut stimmt einen traurig. Wenn wir die markantesten Merkmale der Khmer-Kultur zusammenfassen sollten, dann wären die Grundregeln: (1) Immer  freundlich sein, lächle. (2) Anständig sein, zeige keine Nackte Haut, wenn du eine Frau bist. (3) Alles in Plastik verpacken und leere Verpackungen sofort fallen lassen.

Der Lonely Planet schreibt dazu: Sollte einem ein alternatives Inselerlebnis vorschweben, sei einem das Dorf M'Pai Bay an der Nordspitze der Insel empfohlen. Das authentische Lokalkolorit wird neugierigen Entdeckertypen sicher zusagen. 
So wie es hier ist, so ist es nun einmal. Wenn man durch gepflegte Neubausiedlungen spazieren will, dann sollte man in Deutschland bleiben. Man hat dann aber keine Chance auf Traumstrände und Leuchtplankton, aber dazu später mehr. Beim Reisen durch authentische Landstriche in Ländern mit rasanter Entwicklung nach schwierigsten Zeiten mit Bürgerkrieg und Kommunismus sieht man einfach nicht nur Dinge, die einem gefallen, sondern schlicht die Realität. Mit den Eindrücken kann man sein eigenes Verhalten überdenken und neue Standpunkte entwickeln.

Wir sind inzwischen jedenfalls sehr große Plastikfeinde. Eine Schockterapie in Kambodscha ist eben auch zu etwas gut. Um ein gutes Beispiel zu setzen und weil es uns ein inneres Bedürfnis war, haben wir beim entspannten Strandtag auch säckeweise Müll gesammelt und an der Sammelstelle abgegeben. Es ist pure Ironie, dass robuste Zementsäcke, die sich perfekt als Müllsäcke eignen, einfach zwischen dem anderen Müll herumfliegen. Wer sich am Tag einhundert mal nach Strohhalmen bückt, die zehn Minuten lang benutzt werden und dann für 10000 Jahre auf diesem Planeten liegen, der will keinen Strohhalm mehr in seinem Getränk haben.

Über das Beste berichten wir wieder zum Schluss: Biolumineszens! Es ist so über alle Maßen genial Abends aus dem Dorf in eine dunkle Bucht zu spazieren, am flach abfallenden Ufer über den Sand ins Meer zu laufen und dann in den tanzenden Leuchtpunkten zu schwimmen - es kann gar nicht mit Worten beschrieben werden. Der Mond geht jetzt erst spät auf und wir können so lange wir wollen im warmen flachen Wasser mit den Tieren spielen. Tagsüber war es schon lustig dort im Wasser zu sitzen, denn kleine Fische tummeln sich alsbald um dich und trauen sich bis auf wenige Zentimeter an dich heran. Nachts sieht man die Fische nur noch mit der Taschenlampe, aber die sollte man ausmachen, um das Plankton richtig wahrzunehmen. Dann wird jede deiner Bewegungen im dunklen Meerwasser von einer hellen Wolke aufgeschreckter Kleinstlebewesen begleitet. Wie fett ist das denn bitte?

Beim ersten nächtlichen Besuch des Strandes baten wir die lokalen Resort-Betreiber die dortige Pier-Beleuchtung abzustellen und wir hatten dann fast optimale Bedingungen mit nur sehr wenig Streulicht und vereinzelten und entfernten direkten Lichtquellen. Mit Kopflampe lässt sich dieser Strandabschnitt auch nach Sonnenuntergang leicht vom Dorf aus erreichen. Er liegt etwa 1 km südöstlich vom Dorfpier. Über uns die Sterne, in jede Himmelsrichtung 500 m keine Menschenseele, um uns herum das Sternschnuppen-gleiche Leuchten im Wasser und über der Weite des Meeres irgendwo ein Gewitter, dass die Szenerie mit atmosphärischen Lichtblitzen erfüllt: Allein diese Nacht würde die ganze Anreise rechtfertigen. Am letzten Abend hatten wir weniger Glück mit dem Wetter, denn ein Unwetter zog auf uns zu und nach kurzer Zeit flohen wir vor den näher kommenden Blitzen aus dem Meer zurück ins Dorf.

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