Die Gegend ist noch recht unbekannt und nicht alle sehenswerten Orte sind touristisch erschlossen, dennoch gibt es sehr viel wilde Natur und archäologische Stätten zu entdecken. Wir nutzen unseren momentanen finanziellen Spielraum und buchen eine fünf Tage dauernde Tour im Umland von Chachapoyas. (Agentur aventura Amazonas Expedition) Die Vorteile liegen auf der Hand: Wir müssen uns nicht darum kümmern wie wir an die sehenswerten Orte kommen, wo wir schlafen und was wir essen. Der Nachteil ist: Wir müssen damit leben wie es dann ist. Unser Guia heißt Alejandro, ist jünger als wir und sehr nett und engagiert. Er spricht nur Spanisch und gibt sich viel Mühe mit uns. Es handelt sich um eine Trekkingtour bei der viele Kilometer zu Fuß zurückgelegt werden. Außerdem haben wir noch einen Fahrer, der uns immer dann abholt, wenn längere Strecken zwischen den Zielen liegen und auch eine Straße dorthin führt, was auf dieser Tour keine Selbstverständlichkeit ist.
Link zum Trekking-Video
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Am ersten Tag fahren wir nach San Pablo, einem winzigen Nest, von dem aus wir unsere acht stündige Tagestour starten. Wir laufen zu den beiden Stufen des insgesamt über 700 m hohen Wasserfalls Gocta. Bei der ersten Stufe mit über 200 m Fallhöhe staunen wir bereits über die imposante Schönheit des Katerakts. Mittagessen gibt es in Form von Lunchpaketen bei einem Mirador mit herrlichem Ausblick auf die Fälle. Dann geht es stundenlang den Berg hinab bis zum unteren Wasserfall, der den ersten in Punkto Fallhöhe um das Doppelte übertrifft. Bei diesen Höhen zersprengt das Wasser in Milliarden feinster Tröpfchen und fällt weniger, sondern schwebt eher den Abgrund hinab. Die Fälle zu beobachten hat etwas Mystisches und man könnte für immer auf die sich niemals wiederholenden Formen von nebelgleichen Wasserschwaden starren. Am Fuße der Fälle treffen die unzähligen feinen Tropfen auf das Gestein und vereinigen sich wieder zu einer größeren Masse. Ein wenig erscheint es so, als würden dort wo der Wassernebel auftrifft aus dem Nichts Rinnsale entspringen. Direkt am Wasserfall geht ein kräftiger Wind und man bekommt den Nebel ins Gesicht geweht.
Auf dem Hinweg liefen wir durch die gnadenlose Höhensonne Perus, an den Wasserfällen angekommen hat sich der Himmel jedoch zugezogen und kurz nachdem wir beschlossen haben wieder aufzubrechen beginnt es aus Kübeln zu regnen. Wir stellen uns unter und sitzen das Unwetter mit Blitz und Donner aus. Die Umgebung sieht aus wie eine Mischung aus Nebel- und Regenwald. Wir sind im Bezirk Amazonas und der Name ist auch Programm. Nur wenig weiter nordöstlich beginnt der gleichnamige Regenwald. Hier werden tagtäglich die Wolken produziert, die auch Richtung Anden ziehen und dort für grüne Hänge sorgen. Einige Täler sind durch Hohe Berge vom Wassernachschub abgeschnitten und daher auch sehr trocken. Ging es auf dem Hinweg noch durch ein Naturreservat in dem wir viele Vögel, wie Loris und Tucane hörten, so geht am Nachmittag durch Kulturlandschaft voller Zuckerrohr und Kaffee. Kurz nach vier Uhr gelangen wir nach Cocachimba, einem anderen winzigen Nest, in dem wir die Nacht verbringen. Unsere Unterkunft hat Blick auf den Wasserfall Gocta. Unser Führer verbringt die Nacht in der Stadt und wird von unserem Fahrer abgeholt. Damit war es offenbar komplett sinnlos, dass wir unser Gepäck für fünf Tage Trek bereits am ersten Morgen aus dem Auto mitgenommen und den ganzen Tag herumgeschleppt haben, denn das selbe Auto haben wir am Abend wieder gesehen, als wir den Führer verabschiedeten.
Am nächsten Tag wurden wir erstmal um eine Stunde versetzt. Warum es so spät los ging konnten wir mit unserem spärlichen Spanisch nicht verstehen. Irgendwas war mit dem Rucksack nicht in Ordnung oder er war eingeschlossen und der Schlüssel war weg oder so ähnlich. Ansonsten war dieser Tag auch weniger ein Trekking-, sondern eher ein Autofahrtag, das hatten wir bei der Beschreibung der Tour etwas anders verstanden. Jedenfalls ging an diesem Tag alles drunter und drüber. Gleich unser erstes Tagesziel, Pueblo de los Muertes, ließ sich nicht realisieren. Auch hier haben wir nicht ganz verstanden warum. Vielleicht war die Straße kaputt oder gesperrt. Stattdessen fuhren wir zur Caverna der Quiocta. Das ist definitiv die matschigste Höhle in der wir je waren. Mucho Barro. Es gab neben Schlamm aber auch Schädel und Knochen von Menschenopfern zu sehen und Tropfsteine obendrein. Unser Fahrer wurde kurzerhand zum Touristenführer, denn er hatte scheinbar mehr Durchblick bei dieser Höhle als unser eigentlicher Guide. Er navigierte uns durch die knietiefen Schlammlöcher und schien magischer Weise immer zu wissen wohin man treten muss um nicht bis zum Hals in der Pampe zu versinken.
Am Nachmittag fuhren wir zur archäologischen Fundstätte Sacrófagos Karajia. Hier sitzen die Leichname von bedeutenden Männern einer Kultur aus der Vor-Inka Zeit in interessant gestalteten Grabhülsen. Es sind Gestalten mit langen Gesichtern, deren Erscheinungsbild namensgebend ist. Karajia bedeutet langes Kinn. Die Sargophage sind hoch oben in einer Felswand zu sehen, wohin sie sicherlich verbracht wurden um sie vor Grabräubern zu schützen. Wir erfahren von Alejandro, dass in der Region viele verschiedene Kulturen zu finden waren, bevor die Inka kamen und alle anderen gewaltsam unterwarfen. Die Kultur mit den Mumien in den Lehm-Statuen mit großem Kinn existierte parallel zur Kultur der Chachapoyas, die der größten Stadt der Region ihren Namen gab und über die wir noch viel mehr erfahren sollten. Danach ging es nach Cohechan wo wir die Nacht in einer rustikalen und authentischen Unterkunft verbrachten. Das Zimmer war mit elektrischen Licht ausgestattet, das jedoch extrem abenteuerlich verkabelt war. Es gab ein Bett, auf dem jedoch eine Matratze lag, die in der Mitte eine Kule hatte - genauso tief wie die Matratze hoch war. Das Zimmer hatte ein intaktes Dach und sogar ein Fenster, war jedoch dreckig und das Fenster schmierig und gebrochen. Das Gemeinschaftsbad war entsprechend unansprechend: dreckig, kaputt, offen, kein Klopapier oder Klobrille geschweige den warmes Wasser oder Seife... Krass für den Preis, den uns die Tour pro Tag kostet. (200 Soles p.P., etwas mehr als 50 €) Die Nacht war etwas ungemütlich, aber zum Glück hatten wir unsere Hüttenschlafsäcke für das siffige Bett dabei. Am Morgen gab es gleich gar kein Wasser mehr. Unser Frühstück verspätete sich um eine ganze Stunde. Es gab alte Brötchen und Rührei mit Käse-Blöcken. Zum Frühstück stieß Tristan aus Großbritannien zu uns. Er wurde vom selben Taxifahrer aus der Stadt hergefahren, der uns den Abend zuvor in der Drecksunterkunft abgesetzt hatte. Da fragen wir uns schon, warum wir nicht einfach auch nach Chachapoyas und zurück gefahren wurden, denn dann hätten wir uns diese ungemütliche Bleibe sparen können. Jedenfalls ist das Auto den Weg so oder so gefahren und wir hatten ein teures und unvergessliches Erlebnis für Fans des rustikalen Abenteuers mit Abneigung gegen Hygiene.
Das Tall Huaylla Belén ist in echt genauso schön, wie auf den Bildern, die wir gemacht haben und die auch in jedem Hostel der Region herumhängen. Schade war, dass wir auf dem Gran Vilaya Trek nur sehr kurz durch dieses Tal gelaufen sind, obwohl das für uns der Grund war, diesen Trek zu machen. Es handelt sich um ein Schutzgebiet, in dem in einem sehr ebenen und weitläufigen Tal ein Fluss zwischen ansehnlichen Kühen auf grünen Wiesen mäandriert. Alles in allem ein äußerst idyllisches Bild. Nachdem wir das Tal verließen ging es steil bergauf und wir verschwanden in den Wolken. Zu den herrlichen Ausblicken, die der Trek angeblich zu bieten hat, können wir also nichts sagen. Jedoch ergab sich durch den Nebel eine mystische Stimmung, während wir auf den Pfaden der Inka wanderten. Unterwegs erkundeten wir zugewucherte Ruinen der Chachapoyas Kultur sowie der Inka. Die archäologische Fundstätte Pirquilla liegt etwas abseits des Weges und Alejandro musste uns einen Pfad mit der Machete durch dichten Wald und Gebüsch schlagen. Die mit Moos, riesigen Bromelien und anderem Gewächs überwucherten Mauern vergangener Hochkulturen im Hochnebel zu umschreiten weckte starke Assoziationen zu Indiana Jones oder Tomb Raider. Sehr abenteuerlich und nur zu empfehlen das Ganze. Dabei machte sich der kundige Führer wirklich bezahlt, denn alleine hätte man diese Erkundung archäologischer Fundstätten, die sonst kein Tourist zu besuchen scheint, auch nicht durchführen können.
Der Tagesmarsch dauerte insgesamt etwas über acht Stunden und wir gerieten gegen Ende in einen heftigen Regenschauer. Der letzte Abstieg in das winzige Dorf Congon wurde so zu einem ungemütlichen Erlebnis. Insgesamt stiegen wir an diesem Tag etwa einen Kilometer hinab und das machte Max Knie sehr zu schaffen - da hat er sich wohl etwas verdreht oder gezerrt… Die Laune war jedenfalls am Tiefpunkt, als wir unsere Unterkunft erreichten. Zum Glück war diese, obwohl sie mindestens genauso einfach war wie die letzte, nicht so dreckig und irgendwie auch gemütlicher. Vielleicht waren wir durch die Schmuddelunterkunft davor auch einfach nur abgehärtet und durch den Marsch im Starkregen war uns wahrscheinlich auch alles andere egal, Hauptsache man hat ein Dach. Auf dem Balkon trocknete Kaffee und ließ man die Zimmertür fünf Minuten offen, so überprüften mindestens drei Hühner den Boden um unser Bett auf Essbares. Wir fühlten uns eigentlich ganz wohl aber uns war klar, bis zum Morgen werden unsere Schuhe niemals trocken - so ist das halt.
Am nächsten Tag ging es weiter nach Choctamal. Der Trek dauerte über 10 Stunden und war sehr hart. Zuerst ging es über 1500 m hinauf. Dabei wurde unser Gepäck von einem Muli getragen - immerhin ein wenig Erleichterung. Oben angekommen bot sich ein herrlicher Ausblick bei der Mittagspause. Um auch an diesem Tag Ruinen zu besuchen waren wir offenbar zu langsam und unser Führer strich diesen Programmpunkt. Was wir völlig unterschätzten war der Abstieg am Nachmittag. Es hieß zuerst es werde ein Auto geben um nicht wieder Stundenlang in Regen bergab zu müssen, auch um Max Knie zu schonen. Am Aussichtspunkt Yumal auf etwa 3500 m wurden wir aber nicht wie erhofft abgeholt und wir liefen stattdessen bis nach Einbruch der Dunkelheit nach Choctamal. An diesem Tag legten wir über 22 km Strecke zurück, liefen über einen Kilometer bergauf und genauso viel bergab. Max Knie streikte gegen Ende völlig und an weiteres laufen zu Fuß war nicht zu denken. Unsere Unterkunft befand sich freundlich gesagt im Bau. Zwischen Baumaterial legten wir uns in einem zugigen Bretterverschlag schlafen - Max gleich ganz ohne Abendessen. Ihm war das alles zu viel und er hatte die Faxen dicke: Scheiß Reis-Fraß, scheiß kalte Duschen irgendwo in der Pampa, kein fucking gescheites Klo, völlig zerstochen von Mucken, Schnaken, Bremsen und anderem Geschmeiß plus höllische Knieschmerzen. Frühstück könnt ihr auch behalten. Bei Max kommen Zweifel an der getroffenen Entscheidung auf, den Trek machen zu wollen. Immerhin ist es nicht nur völlig unorganisiert, super anstrengend und die Unterkünfte sind mittelalterlich einfach und meist dreckig - nein, das ganze hat für 5 Tage und 4 Übernachtungen auch etwa 500 € für uns zwei gekostet. Das ist in Peru eine Riesenstange Kohle und für unser Reisebudget auch.
Am darauf folgenden Tag ging es mit dem Auto bis fast an die Ruinen von Kuelap, einer Festung der Chachapoyas mit hoher Mauer und den typischen runden Häusern. Die Festung hat ihnen aber auch nichts genutzt als die Inka kamen und deren eckige Häuser findet man dort dann auch. Die Inka haben sie damals einfach ausgehungert - da hilft auch die höchste Mauer nicht. Max war inzwischen völlig lahmgelegt und blieb zurück während Anna mit Tristan und Alejandro die Ruine erkundete. Die archäologische Stätte ist touristisch gut erschlossen, mit Souvenirständen umzingelt, dank Seilbahn und Tagesausflügen von Chachapoyas aus gut zu erreichen, aber bisher eher bei peruanischen Reisenden bekannt und man sieht nur wenige Gringos. Anna sagt: Sehr empfehlenswert. Sehr schön. Am besten früh hingehen, da sind noch nicht so viele Touristen dort und man kann sich besser in die Zeit versetzen. Die Festung ist in drei Baustufen aufgeteilt, erbaut zu unterschiedlichen Zeiten und mit unterschiedlichen Funktionen. Begonnen wurde der Bau um 800 n.C.. Durch die Eingänge der Festung kann immer nur einer Person gleichzeitig eintreten, da diese so schmal sind. Man findet verschiedenen Verzierungen auf den Hausfassaden, die auf die Berufe der Bewohner rückschließen lassen.
Max nutze die Wartezeit, denn ein Zweck der organisierten Trekkingtour war es auch, sich klar darüber zu werden wie es weitergehen soll. Die letzten Wochen stand immer wieder die Rückreise nach Deutschland im Raum, denn der Gesundheitszustand von Max Papa blieb dauerhaft sehr kritisch. An diesem Morgen bekamen wir eine Nachricht, dass sich der lebensbedrohliche Zustand immer noch nicht verbessert hat und Max traf die Entscheidung nach Hause zu wollen. Diese Entscheidung ist jetzt schon fast eine Woche her, aber ihr alle versteht sicherlich warum wir in der letzten Zeit den Blog nicht mehr aktualisiert haben. Es gab jetzt einfach wichtigeres, zum Beispiel die Organisation der Rückreise und Max war in Gedanken mehr zu Hause als in Peru. Mittlerweile sind wir fast in Deutschland angekommen. Die Details zu unserer mehrtägigen Odyssee nach Hause folgen irgendwann in einem separaten Post. Der hier beschriebene Trek jedenfalls endete mit einem leckeren Mittagessen - es gab Trucha, einem Süßwasserfisch, den wir bereits während der Wanderung in den Flüssen gesehen hatten. Gebraten und auf dem Teller waren sie allerdings nicht mehr so flink wie lebendig im kalten Wasser der Andenflüsse.
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