Freitag, 23. März 2018

Die Vielfalt von Georgetown und Butterworth

Anders als sonst beschreiben wir diesmal unsere Erlebnisse nicht in chronologischer Reihenfolge sondern beginnen mit dem heutigen Tag und gehen dann zurück bis zu unserer Ankunft in Malaysia. Im Moment wohnen wir im 27. Stock eines Hochhauses nahe des Hafens von Butterworth. Dieser Stadtteil liegt auf dem Festland und wir haben vom Dach im 40. Stock eine herrliche Rundumsicht, auch auf die Insel Penang, wo die Altstadt von Georgetown liegt. Dazu später mehr. Unser Wohnkomplex ist mit Pool, Sauna und Fitnessraum ausgestattet und obendrauf gibt es einen Sky-Jacuzzi auf dem Dach. Da lassen wir es uns mal wieder richtig gut gehen. Nachdem wir seit unserem zweiten Aufbruch aus Deutschland nun wieder über vier Monate reisen, brauchen wir ein kleines Päuschen. Es ist schön eine eigene Wohnung zu haben, in der man selbst kochen und waschen kann.

Die Zeit verbringen wir vor allem mit Dingen, die uns wichtig sind und Spaß machen, zu denen man aber einfach nicht kommt. Wenn man alle paar Tage die Unterkunft wechselt, allerorten abenteuerliche Dinge erlebt und so ereignisreiche Tage hat, wie wir sie beim Reisen sehr oft erleben, dann bleibt eben auch etwas auf der Strecke. Anna vermisst beim Reisen die Möglichkeit Sport zu machen und nutzt sehr gerne das Fitnessstudio. Max ist ein Fan der Pools, Dampfbäder und Sauna und schwimmt entsprechend viel. Die Austattung ist im Mietpreis der Wohnung inbegriffen (knapp unter 30 € pro Nacht) und somit lohnt es sich für un das Angebot auch gerne mehrmals täglich in Anspruch zu nehmen.

Während Anna vor allem ihren Körper trainiert, arbeitet Max auch an seiner Geduld. Um beim Tauchen auch unter Wasser den vollen Durchblick zu haben, möchte er gerne Kontaktlinsen benutzen. Eine Tauchermaske mit Sehstärke ist mit Hornhautverkrümmung eine kostspielige Angelegenheit und Kontaktlinsen wären auch für andere Sportarten praktisch. Leider mögen sich seine Augen bislang noch nicht damit abfinden und er ist noch damit beschäftigt den Lidschlussreflex abzutrainieren. Bislang geht das Auge meist zu bevor die Linse drin ist oder die Linse bleibt am Finger und nicht auf der Pupille kleben. Wer Max kennt, der weiß das Geduld jetzt nicht unbedingt zu seinen Stärken gehört und damit ist das ganze nicht nur eine körperliche sondern auch eine geistige Herausforderung. Es wird langsam besser und vielleicht klappts ja bald richtig mit den Kontaktlinsen. 


Zuvor waren wir direkt bei der Altstadt von Georgetown untergebracht, welche Weltkulturerbe ist. Die Stadt vereint, genau wie das ganze Land, die verschiedensten kulturellen Einflüsse. Die chinesischen, indischen, europäisch-kolonialen Elemente verschmelzen mit der Kultur der Malaien und prägen die Architektur und die lokale Küche. Wir fahren besonders auf das indische Essen ab. In Little India waren wir am häufigsten Essen. Für uns war es auch etwas besonderes das Essen auf Bananenblätter geschöpft zu bekommen und anstatt Besteck zu benutzen,  nur mit der Hand zu essen.

Auf den Straßen in Little India begegnet man vornehmlich indisch stämmiger Bevölkerung, erkennbar an der dunklen Hautfarbe, den Tilaka (farbige Segenszeichen auf der Stirn) oder Bindi  und der typisch indischen Einfärbung ihres Englischs. Aus den Geschäften schallt indische Musik und überall riecht es nach Räucherstäbchen. Wegen der politischen Bedeutung des Hakenkreuzes im 20. Jh. ist dieses Symbol in Deutschland verboten. Hier sieht man die Swastika, das hinduistische Glückssymbol jedoch sehr häufig. Eigentlich nichts besonderes, löst dieses Symbol bei uns jedoch ambivalente Gedanken aus und Max hat es immer wieder fotografiert. Warum auch immer. 


International bekannt ist Georgetown vor allem für die Innenstadt mit vielen Reihenhäusern im Peranakan-Stil, der uns an koloniale Bauten erinnert, und für die allgegenwärtige Straßenkunst. Zu den Peranakan später mehr. Die bekanntesten Kunstwerke auf den Straßen Penangs, wie Georgetown von den Einheimischen genannt wird, stammen vom Litauer Ernest Zacharevic, der international tätig war. Des weiteren gesellen sich viele Werke unbekannter Künstler und der Anwohner ins Stadtbild. Die Gruppe um Tang Mun Kian gestaltete eine Serie von Cartoon-Bildern aus gebogenen Stahlstangen. Sie zeigen den Humor und das Selbstverständnis der lokalen Bevölkerung und setzen die Weltkulturerbe-Stätte in den Kontext mit dem alltäglichen Leben in der Stadt.

Link zum Video aus Georgetown



Mit den Buslinien der rapid Penang lassen sich Ziele auf der ganzen Insel für wenig Geld erreichen. Wir fuhren zum Beispiel zum Botanischen Garten westlich der Stadt und zum Nationalpark am nordwestlichen Zipfel der Insel. Dort haben es uns vor allem die frei lebenden Brillenaffen (Südlicher Brillenlangur) angetan. Diese scheuen und extrem niedlichen Primaten gingen hoch oben in den Baumwipfeln ihrem Tagwerk nach und waren nur schwer zu erspähen. Einige Exemplare waren jedoch auch nahe des Parkeingangs und direkt am Weg anzutreffen.


Die Stadt hat aber auch ihre Vorzüge und wir waren in mehreren modernen Malls mit Elektronik-, Kleidungs- und Lebensmittelgeschäften sowie unzähligen Lokalen in den Fressmeilen. Am häufigsten hat es uns in die Malls rund um den Komtar Tower verschlagen, einem Hochhaus nahe der Altstadt. Dort haben wir uns mit den alltäglich notwendigen Dingen versorgt und zum Beispiel auch unsere malaiische Simkarte erstanden, so dass wir jetzt immer und überall mit Onlinekarten navigieren können. Fast jeden Tag ging es auch in die Innenstadt, in der wir  jedoch mehr guckten, als das wir etwas kauften.

Georgetown ist eine so bunt gemischte Stadt mit einem Stadtbild, dass so anders ist als alles was wir bisher gesehen haben. Da macht es große Freude durch die Straßen zu schlendern, die Architektur und die vielen Lädchen und Cafés zu erkunden und auf der Suche nach Straßenkunst im Raster durch jede noch so kleine Gasse zu laufen. Dabei gibt es sehr schöne Ecken, wo die Häuser der Peranakan gut in Schuss gehalten sind, so wie man sich ein Weltkulturerbe vorstellt. Anderenorts verfallen die Häuser, aus den offenen Kanälen richt es unangenehm nach Abwässern und in den Gassen häufen sich Müllsäcke. Für uns hatte die gesamte Stadt einen ganz besonderen Charme und das Ensemble der Häuser und Kulturen ergibt ein unvergleichliches Stadtbild in das man sich leicht verlieben kann.



Wer sind nun diese Peranakan? Es sind die Nachfahren von Chinesen die nach Malaysia emigrierten. Ihre Kultur im Gepäck ergab sich aus der Durchmischung mit der malaiischen Lebensart eine ganz neue. Zusätzlich zu malaiischen und englischen Beschriftungen finden sich überall auch chinesische Schriftzeichen. Die Küche die aus dem Misch-Masch der Kulturen hervorgegangen ist erfreut sich großer Beliebtheit. Weil sie jedoch eher fleischlastig ist, haben wir uns mehr mit der vegetarischen Küche mit indischen Einflüssen vollgestopft. Die zweistöckigen Reihenhäuser mit Säulengang erinnern an koloniale Bauten, wie wir sie zum Beispiel in Kuba gesehen haben. Die strikten Auflagen, die für die Renovierung der historischen Gebäude gelten, machen eine Nutzung für manche Besitzer unattraktiv und einige Gebäude verfallen. Auch das erinnert uns an Kuba. Das ist doch witzig, haben wir doch noch nie etwas vergleichbares gesehen, wie es hier durch die Verschmelzung verschiedener asiatischer Kulturen mit kolonialen Einflüssen aus Europa entstanden ist und dennoch kommt es einem auch vertraut vor und man fühlt sich an einen Ort zurückversetzt der 20000 km weit entfernt ist.



Ganz besonders sehenswert sind die chinesischen Clan-Häuser. Wir haben das Khoo Kongsi Clanhouse besucht, das mit kunstvollen Ornamenten und Wandgemälden, herrlichen Farben und viel Gold imponiert. Wie mag es wohl gewesen sein, einem so einflussreichen Familienclan anzugehören? Sicherlich gibt der familiäre Zusammenhalt eine große soziale Sicherheit und ebnet der jüngsten Generation über Verbindungen und Bildung den Weg zu noch größerem Wohlstand. Andererseits musste man seine persönlichen Bedürfnisse bestimmt häufig dem Wohl der Gemeinschaft unterordnen und die eigene Entfaltung stand nicht im Vordergrund der Erziehung. 


Georgetown hat so viel zu bieten, die Kunst, die Gastronomie, die Architektur und die Kultur. Natürlich sind in diesem Potbourri der Völker auch alle Religionen und Gotteshäuser vertreten. Katholische Kirchen finden sich genauso wie Moscheen, hinduistische Tempel und chinesisch-buddhistische Anlagen. All die Religionen leben hier in Frieden miteinander und das seit hunderten Jahren. Das finden wir schön, auch wenn für uns nicht die richtige Religion dabei ist.


Zum Schluss schreiben wir noch einige unserer Gespräche und Gedanken nieder, die wir nach den Erfahrungen in den ersten Wochen in Malaysia hatten. Oft drehten sich unsere Gedanken um die Themen Gesellschaft und Religion, da hier so viele Modelle koexistieren und die Begegnung mit Moslems, Hindus, Buddhisten, Christen und Atheisten zum Nachdenken anregt. Ein Besuch der multikulturellen Region ist allein deshalb schon empfehlenswert.

Es ist interessant, wie gesellschaftliche Normen von den Eltern auf ihre Kinder übertragen werden. Auch wenn in Malaysia viele Kulturen und Religionen koexistieren, so scheinen die Volksgruppen im Alltag oft nebeneinander zu leben und sich nicht unbedingt zu vermischen. Chinesische Mädchen gehen auf eine Schule für chinesische Mädchen und so weiter. Die anderen werden also toleriert, aber man grenzt sich auch bewusst ab und die einzelnen Kulturen bleiben erhalten.

Ein besonders prägnantes Beispiel ist die allseits bekannte Konvention, dass muslimische Frauen nur verschleiert auf die Straße gehen. 60 % der Malaien bekennen sich zum Islam und somit sieht man viele Muslima mit Kopftuch oder Niqab. Chinesiennen, Inderinnen und Europäerinnen tragen kein Kopftuch. Verschleiern die Frauen dann nur ihren Kopf, weil sie müssen? Sicherlich wollen viele auch ihren Glauben ausdrücken und sich von den anderen Volksgruppen abgrenzen. Demnach wäre der Schleier auch Ausdruck persönlicher Freiheit. 

Gleichzeitig ist mit dem Gebot so wenig Haut wie möglich zu zeigen auch eine Menge an Einschränkungen verbunden. Wenn Anna im Fitnessraum trainiert, dann kann sie durch die Fenster Muslimas dabei beobachten, wie sie in der Außenanlage neben dem Pool sitzen. Diese Frauen dürfen keinen Sport machen, sowieso keine Sportkleidung tragen, oder gar schwimmen gehen. Da kommt man sich etwas komisch vor, wenn man in Top und kurzer Hose rennt und schwitzt, sagt Anna. Auch Max ist irgendwie irritiert, wenn er aus der Sauna kommt und oberkörperfrei duscht und schwimmt, während bei den muslimischen Frauen alles von Kopf bis Fuß bedeckt ist und sein muss.

Wir schätzen kulturelle Vielfalt und Religionsfreiheit sehr. Noch viel mehr schätzen wir es, dass wir für uns die Freiheit herausnehmen genau das zu machen, worauf wir Lust haben und uns im Alltag so gut wie nie einer gesellschaftlichen Konvention unterordnen zu müssen. Höflich und nett sein und mit anderen konfliktfrei zusammen zu leben, das wollen wir ja selbst. Daher müssen wir wir ja auch nicht nackt draußen rum rennen, wenn das die anderen stört. Gesellschaftliche und religiöse Regeln können Sicherheit und Vertrautheit schaffen, aber auch nerven und unnötig einschränken.

Wir sind froh selbst so wenige Einschränkungen zu haben. Das Reisen, wie wir es im Moment praktizieren, ist Ausdruck größter individueller Freiheit. Wir schätzen es auch sehr in einer gleichberechtigten Partnerschaft auf Augenhöhe zu sein und nicht so sehr irgendein geschlechtsspezifisches Rollenbild erfüllen zu müssen. Auch wenn man viel von anderen Kulturen lernen kann, man weiß die Vorzüge der eigenen Lebensart vielleicht noch mehr zu schätzen und adaptiert nicht alles was man sieht. Aber so machen es ja wohl auch die anderen und genau deshalb haben sich die Kulturen hier auch nicht zu einem Einheitsbrei vermengt.


3 Kommentare:

  1. Was für eine tolle Stadt! Einfach wahnsinnig schön! Danke für den tollen Eintrag;) ich hab euch lieb ,Steffi
    PS: voll die coolen Affen, zählt ihr mit wie viele affenarten ihr schon gesehen habt? Des sind doch schon einige? :D

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  2. Deine Kommentare sind einfach die besten! Da habe ich dann gleich wieder Lust am Blog zu arbeiten. Vielen Dank dafür!

    Wir haben schon Kurz- und Langschwanz-Makaken gesehen, Klammeraffen und Brillenlanguren. Außerdem Gibbons, wenn man die dazu zählen möchte.

    Alles Liebe, Max

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  3. Ich musste sehr bei der Vorstellung lachen, wie du mit dem Kontaktlinsen kämpfst. Sehr schön geschriebener Eintrag!
    Wir verlassen jetzt für knapp 7 Monate unsere Wohnung in Halle und brechen nach Torgau auf. Bis bald! ;)

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