Freitag, 25. Mai 2018

Eine Nacht in Taman Negara

Von Kulturlandschaft und Städten haben wir gerade schön die Nase voll, wie passend, dass auf dem Weg zum nächsten Tauchparadies der größte und älteste Nationalpark Malaysias liegt. Taman Negara bedeutet auf malaiisch auch nichts anderes als Nationalpark. Der Regenwald zählt mit etwa 130 Millionen Jahren zu einem der ältesten Wälder der Erde. Das muss man sich einmal vorstellen. 130 Millionen Jahre. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch nicht mal Gras, das hat sich erst später entwickelt. Man kann den Park von verschiedenen Dörfer aus erkunden und wir nächtigten zunächst in Kuala Tahan. Das Dorf ist kein Augenschmaus und hat auch kulinarisch nichts zu bieten. Rings um den Flickenteppich aus betonierten Straßen und Hostels ist großflächiges clearing zu beobachten. Es wird gerodet was das Zeug hält. Ob das ist, was die Besucher sehen wollen? Die Straße von Jerantut nach Kuala Tahan ist bereits von Palmöl-Plantagen in jünger werdenden Entwicklungsstadien gesäumt. Man kann regelrecht sehen, wie die Monokultur sich zusehends in den Wald frisst. Es ist auch möglich sich dem Park per Boot oder auf Schienen zu nähern. Der Jungle-Train trägt seinen Namen jedoch zu unrecht, wie man liest - Palm-Oil-Train solle neuerdings besser passen. Auch die Anreise auf dem Fluss erschien uns nicht gerade erquicklich, in Anbetracht der Tatsache, dass der lokale Bus sowieso fährt und viel günstiger ist als die 3 h Fahrt mit dem lauten Touri-Boot.

Zahlreiche Agenturen bieten Touren im Nationalpark an, jedoch ist die Qualität im Vorfeld nicht abzuschätzen. Wir kennen uns ja schon ein bisschen aus, mit Regenwäldern und Tour-Veranstaltern. Programmpunkte wie Jungle-Trek können so oder so interpretiert werden. Gerade ein Besuch bei einem Ureinwohner-Dorf weckt bei uns deutlich andere Erwartungen, als das Touristen-Programm was einem dann von den Schaustellern geboten wird. Daher haben wir von allen Touren die Finger gelassen und uns versucht selbst zurecht zu finden. Einige Programm-Punkte lassen sich ganz problemlos selbst organisieren und dank guter Wege im Park auch ohne Führer umsetzen. Man erhält im Büro des Parks reichlich Informationsmaterial und kann dort auch die Lizenzen zum Besuch (0.25€), für das Benutzen der Kamera (1€) und Übernachtungen (1€) erwerben. Keine Angst, alles nicht teuer. Das Büro liegt auf der anderen Seite des Tembling Flusses als das Dorf und eine Überfahrt kostet 1 RM (25 Cent oder so). Auf der anderen Seite liegt außerdem das Luxus-Resort für dessen Edel-Chalets noch ein paar Hektar Regenwald weichen mussten um dann auch noch schöne Rasenflächen anlegen zu können. Ich kotze im Strahl.

 Breite und erhöht gebaute Wege führen zu einigen Punkten unweit des Park-Eingangs. So lassen sich der Baumwipfel-Pfad (1€), der Hochstand Bumbun Tahan und der Aussichtspunkt auf dem Bukit Teresek sehr bequem erreichen. Der knapp 2 km lange Aufstieg zum Hügel ist früh morgens sehr empfehlenswert. Bricht man um 8 Uhr auf, so begegnet man bis zum etwa 300 m hohen Hügel keiner Menschenseele. Der Pfad eignet sich hervorragend um Vögel zu beobachten und den Geräuschen des Urwaldes zu lauschen. Wir konnten Gibbons hören, die sich vielleicht in zehn Metern Entfernung aufhielten. Dank der dichten Baumkronen entzogen sie sich aber erfolgreich unserem Blick. Auch der Nashornvogel machte vor allem durch das Schnabelklappern und das erstaunlich laute Geräusch seiner Flügelschläge auf sich aufmerksam. Schließlich erspähten wir aber doch das über uns fliegende Tier mit etwa einem Meter Flügelspannweite - nur kurz, dann waren wieder tausend Blätter im Weg. Wir machten unsere ersten Erfahrungen mit Blutegeln, die wohl auch von Bäumen fallen und sich quasi überall festsaugen können. Die erste Herangehensweise, nämlich einfach nichts zu machen, bis das Vieh abfällt, würden wir nicht weiterempfehlen. Das Monsterexemplar an Max Oberarm ließ über eine Stunde nicht locker und dann blutete es natürlich lange nach, schließlich verabreichen einem die Egel eine Dosis gerinnungshemmenden Blutverdünner. Besser gleich mit einer Kreditkarte abschaben. Übrigens ist dies die einzige Gelegenheit, bei der man um Kuala Tahan eine Kreditkarte einsetzten kann. Also vorher genug Geld abheben!

Anna erspähte eine dicke Vogelspinne in einem Baumstumpf. Beim Rückweg begegneten uns dann Horden lärmender Touristen in Sandalen, Shorts und Tops. Wir waren vergleichsweise eingepackt, mit langen Hosen, die wir in unsere Socken stopften und langärmelig, damit es die Leechies nicht so leicht mit uns hatten. Offensichtlich blieben die anderen Touris einfach keine Sekunde lang stehen um die Wunder des Waldes zu beobachten. Anders lässt es sich wohl nicht erklären, dass wir mehr von den Blutegeln heimgesucht wurden als die Menschen im sommerlichen Look. Wir waren auf jeden Fall aufmerksam, aber auch völlig durchgeweicht, denn die Luftfeuchtigkeit lag bei mindestens 101%. Als wir die entgegenkommenden Homo Sapiens Rudel auf die Spinne hinwiesen, hieß es: Die hat euch wohl ein Guide gezeigt. Nein, man kann tatsächlich Tiere im Wald sehen, wenn man denn hinschaut und nicht am laufenden Band Blödsinn quasselt. Max hatte immer noch einen Blutegel am Arm und war trotzdem von den Menschen mehr genervt als von den wirbellosen Parasiten. Auch beim Baumwipfel-Pfad war jedermann sehr mit Selfie schießen und halbstark herumblödeln beschäftigt. Meister-Tier-Finderin Anna hat in der Zwischenzeit ein sehr hübsches Vogelpäärchen in den Baumkronen entdeckt. Max macht ein Foto und im Hintergrund schützen sich andere Menschen mit Insektenschutz gegen die niedlichen Urwald-Bienen. Diese winzigen Exemplare haben zwar überhaupt keinen Stachel, aber man kann ja wirklich alles dafür tun im Wald nicht mit Natur in Berührung zu kommen. Hätte Max aufgrund der Luftfeuchte nicht schon längst seinen Hut weggepackt, ihm wäre sicherlich die Hutschnur geplatzt.





Wie es aussieht, muss man weiter in den Nationalpark vordringen um den nervigen Menschen zu entfleuchen.  Die Hochstände bei Salzlecken bieten eine ideale Gelegenheit Tiere in ihrer natürlichen Umgebung zu beobachten. Einfache Holzbetten unter einem schützenden Dach bieten eine sichere Unterkunft um die Nacht im Dschungel mit Tierbeobachtung zu verbringen. Wir waren zu faul, den ganzen Weg mit unseren Wasser- und Lebensmittelvorräten zurück zu legen und besorgen uns für das Gros der Strecke ein Boot mit erfreulich leisem Motor. Bereits die Fahrt über die Neram Flüsse war ein schönes Erlebnis, denn über den Flusslauf spannen die schräg wachsenden und namensgebenden Neram Bäume ihre Kronen, während sich ihre massiven Wurzeln in die Uferbänke krallen und mystische Formen aus Moos, gewundenem Holz und Epiphyten erschaffen. Dekor nach unserem Geschmack. Etwa einen Kilometer von Bumbun Tabing entfernt entließen wir den Bootsführer, der uns versprach am nächsten Tag zurückzukehren um uns wieder abzuholen. Mit unseren Rucksäcken ging es dann weiter zum Tabing Hochstand. Mit unseren geliehenen Isomatten und Schlafsäcken machten wir es uns in der spartanischen Unterkunft auf Stelzen bequem, so gut es auf den Holzbrettern der Doppelstockbetten eben ging und reinigten die vollgekackte Toilette, denn fließendes Wasser war vorhanden.

Von dem Hochstand aus ging es mit etwas Wasser auf Exkursion in den Urwald rings herum. Uns begegnete zunächst niemand außer ein mit Speer bewaffneter Park-Mitarbeiter, der die Wege zur Kontrolle ablief. Eine etwas Angst einflößende Begegnung. Außer Urwald-Hörnchen, Vögeln und Wirbellosen konnten wir keine Tiere entdecken und beschlossen uns zum Sonnenuntergang in dem Hochstand zu verkriechen und auf visuelle Beute zu lauern. Auf dem Rückweg hörten wir deutlich Äste zerbrechen, während wir selbst wie üblich katzengleich durch den Wald schlichen um auch ja keine Tier zu verscheuchen, so dass wir es auch beobachten können. Aber kein Elefant oder keine Affen-Bande hätte so viel Lärm gemacht, wie wir jetzt aus Richtung des Hochstandes wahrnehmen mussten. Neeiiin! Menschen! Anna war bereits überaus gereizt, als ein nackter, nur mit einem Tuch auf halb acht um die Hüfte gebundener Mittzwanziger uns entgegenlief und laut rief: What's up, guys? Wer kennt Anna schon aggressiv?! Jedenfalls wurde dieser Tarzan von Anna derart zusammen geschissen, dass Max gar nichts mehr sagen brauchte. Zu seiner Verteidigung brachte er allen ernstes an, so laut zu sein, damit die Tiger und Elefanten fern von ihm blieben und ihn nicht angreifen. Anna war außer sich: W E    W A N T    T O    S E E    A N I M A L S ! ! ! Wir überlegten kurz ob wir es noch vor der Dunkelheit zurück ins Dorf schaffen würden, aber das war uns dann doch zu heikel. Die bessere Hälfte der Pärchens aus Osteuropa war im Hochstand mit Wäsche waschen beschäftigt. Sie bestätigte unsere unheilvolle Vermutung: Polen-Tarzan war dabei Feuerholz zu sammeln, damit die zwei Kochen könnten. Wir machten sie unwirsch darauf aufmerksam, dass man nirgendwo im Nationalpark ein Feuer anzünden darf und das ein solches unseren Plan zur Tierbeobachtung komplett ad absurdum führte.

Ahhhhhhhhhhhhh! Warum sind wir immer so lieb und alle anderen so unfassbar dämlich???!!! Jedenfalls ließen wir die beiden tatsächlich ein Lagerfeuer direkt unter dem Hochstand anzünden, denn sie sollten ja nicht verhungern. Wir stellen echt für die letzten Idioten unsere eigenen Bedürfnisse zurück. Regenwald, das klingt schon so nach trockenem Holz für ein Lagerfeuer... Während wir oben komplett eingeräuchert wurden sinnierte Max über die vielseitigen Einsatzmöglichkeiten von Messern, die weit über die Zubereitung von Speisen hinaus gehen. Wie kann man denn bitte so komplett bescheuert sein und ein Feuer in einem Nationalpark unter einem Versteck zur Tierbeobachtung anzünden???? Wer sich fragt, ob wir in dieser Nacht etwas beobachten konnten, dass sich an der Salzlecke mit Mineralien versorgt: Nein. Eine Entschuldigung bekamen wir auch nicht zu hören und Einsicht für das offizielle Verbot von Lagerfeuern im Nationalpark bestand nicht im geringsten. Wer glaubt, das Reisen könnte Misanthrophie kurieren, der fehlt. Egal, wie sehr wir auch versucht haben den Menschen zu entkommen und den Tieren in Taman Negara zu begegnen: Es war uns nicht vergönnt. Die zwei Räuchermännchen campen übrigens für 5 Tage im Park und haben wohl jede Nacht ein Feuerchen gemacht. Hoffentlich wurden sie vom Tiger gefressen. In jedem Fall herrschte in unserem Hochstand eine eisige Stimmung trotz tropischer Nacht und die Fronten waren klar gezogen. Weder Anna noch Max waren zu versönlichen Worten fähig, so absurd schien uns das Verhalten der anderen.

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